Rhein-Neckar, 09. April 2014. (red/ms) Die Stimmenvergabe bei einer Kommunalwahl ist wesentlich komplexer als etwa bei der Bundestagswahl: Ein Mannheimer darf zum Beispiel 48 Kreuze machen, muss sich dabei aber an bestimmte Vorgaben halten. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass Bürger besonders präzise für genau diejenigen Vertreter stimmen können, die ihnen am besten geeignet erscheinen – allerdings gehen wegen des komplizierten Systems bei jeder Kommunalwahl landesweit mehrere 100.000 Stimmen verloren. Mancher Wähler gibt sogar Stimmen an die „falschen“ Bewerber, weil man nicht verstanden hat, wie es funktioniert. Dieser Artikel soll helfen, eventuelle Unklarheiten zu beseitigen.
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Was man zu einer Gemeinderatswahl wissen sollte
Wagnis „Mehr Demokratie“ – geht das gut?
Rhein-Neckar, 22. Januar 2013. (red/ms) Die grün-rote Landesregierung hat im Wahlkampf eine „Politik des Gehörtwerdens“ versprochen. Jetzt steht ein Mammut-Projekt kurz vor seinem Abschluss: Am ersten März 2014 – also noch kurz vor den Kommunalwahlen – wird eine neue Verwaltungsvorschrift in Kraft treten, die die Bürgerbeteiligung verbessern soll: Das Volk soll fortan früher in die Planungsvorhaben mit einbezogen werden, auf offener Dialogbasis will man die bestmöglichen Lösungen für die Gestaltung größerer Bauprojekte finden. Doch lohnt sich dieser Aufwand? Oder gibt es am Ende nur mehr Bürokratie und höhere Kosten? [Weiterlesen…]
Darf man Rechte mit Eiern bewerfen?
Rhein-Neckar, 18. Februar 2013. (red) In Mannheim haben Bürger/innen, Politik-Vertreter und Mitglieder der linken Szene der NPD wieder einmal gezeigt, dass sie Widerstand gegen Rechtsradikale leisten. Das ist gut so. Nicht gut sind die Begleitumstände.
Von Hardy Prothmann
Es gibt Kommentare, die schreibt man nicht gerne. Aber sie müssen trotzdem geschrieben werden. Am Samstag hat die rechtsradikale NPD eine Kundgebung in Mannheim angemeldet. Die Partei nimmt damit ein Grundrecht unserer Verfassung wahr – ob das den Gegnern der Partei passt oder nicht. [Weiterlesen…]
Ländle mit neuer Homepädsch
Rhein-Neckar, 04. Februar 2013. (red/zef) Seit dem 01. Februar 2013 hat das Land Baden-Württemberg eine neue Online-Plattform. Die Homepage soll neue Maßstäbe setzen, damit „sich die Bürgerinnen und Bürger mit Politik auseinandersetzen“, sagt die Silke Krebs, Ministerin im Staatsministerium. Wir haben uns die Seite angeschaut: „Neue Maßstäbe“ gilt im Vergleich mit der alten Seite bestimmt, das Design ist frisch und modern – inhaltlich und konzeptionell kann die Seite aber durchaus noch zulegen. Immerhin: In den ersten drei Stunden nach dem Start am 1. Februar haben bereits 2.500 Menschen insgesamt 15.000 Seiten aufgerufen – und das innerhalb von drei Stunden.
Von Ziad-Emanuel Farag

Oben sind die fünf strukturierenden Elemtente zu sehen, darunter der anschauliche Slider mit aktuellen Artikeln. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de
Sofort sticht der ansprechende Slider ins Auge. Dieser präsentiert aktuelle politische Themen anschaulich. Hier kommen nicht nur Artikel, sondern auch andere Medien wie Videos oder Fotostrecken zum Einsatz Aktuelle Beispiele wären: Ein Zeitstrahl darüber,was die grün-rote Landesregierung bisher geleistet hat, die Ganztagsschule oder die Bildungsgerechtigkeit. Man kann den Slider automatisch die Artikel abspielen lassen oder einfach bequem per Pfeil in der Mitte oder der Navigationsleiste unten wechseln.
Besonders brisant wirkt der „transparente Landeshaushalt“. Hier gibt es zwar viel Zahlenwerk: Das Regierungspräsidium Stuttgart erhält 8,4 Millionen Euro für Bundesautobahnen, während Kalrsruhe 4,4 Millionen Euro erhält . Viele Fragen bleiben hier aber völlig unbeantwortet: Wieviel Geld wird in welche Autobahnen investiert? Da stehen viele Zahlen – ohne weitere Informationen sind sie kaum zu nutzen. Da steht gar nichts! Bei den Hochschulen ist der Landeshaushalt auch sehr pauschal: Einzeln aufgeschlüsselt werden die aktuellen Zuwendungen für Baumaßnahmen. Über die Verteilung der restlichen 336 Millionen Euro erfährt man nichts. Bloß keine Verteilungskritik riskieren, scheint hier die Devise zu lauten. Der „transparente Landeshaushalt“ verspricht mehr als er hält. Die Bedienung ist zudem äußerst umständlich.
Die Seite unterteilt sich ingesamt in fünf Rubriken: “Unser Land”, “Regierung”, “BW gestalten” “Service” und “Beteiligungsportal”. Die ersten vier ermöglichen eine einfache Orientierung. Legt man den Cursor auf einer dieser Buttons, wird eine umfangreiche, aber übersichtliche Auflistung der Unterpunkte angezeigt. In der Rubrik „Regierung“ gelangt man schnell zu Vorstellungen der Regierungsmitglieder und ihrer Ministerien. „Unser Land“ bietet einen Überblick über alles Erdenkliche zu Baden-Württemberg. Geschichte, Geografie, Landesverfassung, ein Quiz zur Unterhaltung, Traditionen, hier ist alles dabei.
„BW gestalten“ erklärt, wie Baden-Württemberg künftig aussehen soll: „Erfolgreiches Baden-Württemberg“ (Wirtschaftspolitik), „Schlaues Baden-Württemberg“ (Bildungspolitik), „Nachhaltiges Baden-Württemberg (Energiepolitik)“, „Bürgernahes Baden-Württemberg (Bürgerbeteiligung und Integration)“ und „Gerechtes Baden-Württemberg (Gleichstellung, Inklusion, Gesundheitspolitik)“. Dies liest sich aber zunehmend fade, irgendwann hat man dann genug von Baden-Württemberg. Wenigstens fasst die Landesregierung hierbei ihre politischen Ziele unter wenigen, verständlichen Schlagworten zusammen. In der Rubrik „Service“ erhält der Leser viele Informationen, um Kontakt zu Ämtern aufzunehmen, sich einen Überblick über Publiktationen zu verschaffen oder einfach einen Ansprechpartner zu erhalten.

Die Detailansicht in den einzelnen Rubriken. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de
Das „Beteiligungsportal“ schließlich soll künftig “Mehr Demokratie klicken” gewährleisten. Dem müssen jedoch außer bloßen Ankündigungen Taten folgen. Dafür gibt es bereits auf der Startseite einen Textkasten, in dem man schnell eine Frage an die Landesregierung eintippen kann. Wir haben diese Funktion mit einer Frage am Freitag selbst getestet. Bis heute, den 04. Februar 2013, 17:00 Uhr haben wir noch keine Antwort erhalten. Am, Dienstag, den 05. Februar, wurde sie um 14:43 beantwortet.
Wir erinnern uns: Baden-Württemberg soll gerecht werden. „Menschen mit Behinderung gehören in die Mitte der Gesellschaft. Deshalb bauen wir Barrieren und Benachteiligungen ab.“ Nirgendwo geht das schneller und einfacher als online. Eine Seite, die möglichst alle mit Behinderungen leicht nutzen können, ist unverhandelbar: Nirgendwo gibt es so wenige Barrieren wie am eigenenen Rechner. Hier scheitert die neue Homepage aber: Einige Artikel können zwar vorgelesen werden. Dies geschieht jedoch so blechern, dass man dem nicht folgen kann. Wenn doch, würde man es nicht wollen. Mit den verbreiteten Lesegeräten für Blinden fällt es diesen also deutlich einfacher, sich zu informieren. Der Button dafür ist viel zu klein. Sehbehinderte dürften ihn nicht ausmachen können. Hier wäre es ratsam, die entsprechende Funktion in der Zeile der Überschrift zu platzieren anstatt neben der Unterüberschrift.

Die Vorlesefunktion ist in dieser Zeile nur schwer zu sehen. Quelle: www.baden-wuerttemberg.de
Der neue Maßstab muss also noch ordentlich Maß nehmen, um tatsächlich überzeugen zu können. Immerhin, ein Anfang ist gemacht und man darf gespannt sein, was noch folgt.
Geprothmannt: Eine „grasse“ Debatte

Günter Krass hat mit seinem Gedicht "Was gesagt werden muss" eine längst notwendige Debatte ausgelöst. Bild: Wikipedia, Florian K, CC BY-SA 3.0
Rhein-Neckar, 16. April 2012. (red/pro) Was stimmt mit uns Deutschen nicht? Können wir nicht normal sein? Einfach mit Kritik umgehen? Uns ihr stellen, mit ihr an uns arbeiten? Der Schriftsteller Günter Grass hat mit seinem Beitrag den Nerv einer chronisch leidenden Gesellschaft getroffen und das ist gut so. Die Debatte erreicht jede Stadt, jedes Dorf in Deutschland. Sie sollte jeden Stammtisch und jede Familie, jeden Menschen erreichen, denn die Zeit ist längst reif dafür.
Von Hardy Prothmann
Ganz sicher ist die Debatte um den Beitrag des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass auf den ersten Blick ein nationales und sogar internationales Thema.
Ist das so?
Ganz sicher zeigt der zweite Blick auf das Thema eine Debatte, das uns alle betrifft. Überall. Hier und dort. Vor Ort. Direkt.
Das vermeintliche “Gedicht” von Herrn Grass, “Was gesagt werden muss”, hat enorme internationale Wellen geschlagen und einen politischen Diskurs ausgelöst, der uns alle angeht.
Meinungsfragen
Die entscheidenden Fragen lauten:
Wie geht man mit Kritik um? Was bedeutet Meinungsfreiheit? Was Meinungsvielfalt? Gibt es die Möglichkeit der freien Rede und Gegenrede? Wer urteilt, was richtig, was falsch ist? Was bedeutet Verantwortung im Zusammenhang mit Fragen? Gibt es in der Postmoderne tatsächlich noch Tabu-Themen, über die man nicht reden darf?
Der Schriftsteller Günter Grass musste im Alter von 84 Jahren etwas loswerden. Wäre Günter Grass nur ein alter Mann – wer hätte sich dafür interessiert?
Niemand? Richtig.
Günter Grass ist aber ein bekannter Schriftsteller. Und Literaturnobelpreisträger. Und er war als junger Mann Mitglied der Waffen-SS im Dritten Reich, was er lange verschwiegen hat.
Und er tut, was niemand tut, will man nicht sofort in eine rechte Ecke gestellt werden. Und das trotz seiner Vergangenheit: Er äußert harsche Kritik an der Außenpolitik Israels.
Nicht an der Innenpolitik, der Wirtschaftspolitik, der Sozialpolitik. Grass macht das große Fass auf und spricht davon, dass Israel den “Weltfrieden gefährdet”.
Die vernichtenden Kritiken über seinen Text sind zahlreich. Die Empörung eindeutig. Die Haltung klar: Man kritisiert Israel nicht. Schon gar nicht als Aggressor im Nahen Osten.
Staaträsonismus
Vor allem nicht als Deutscher. Denn es gibt eine historische “Verantwortung”, die jede Kritik und jede Frage verbietet, das gebietet allein schon die von der Bundeskanzlerin zur “Staatsräson” erklärten “Haltung”.
Ist das so?
Man muss Günter Grass für seine extreme Überzeichnung dankbar sein, denn er hat erreicht, dass sich die Extreme und die Überzeichnungen zu Wort melden und verorten.
Das durch den israelischen Innenminister Eli Jischai gegenüber dem Schriftsteller erlassene Einreiseverbot wird selbst in israelischen Medien als “hysterisch” bezeichnet.
Bundestagsvizepräsident Thierse wirft sich für den Schriftsteller in den Ring und bezeichnet Anwerfungen, dieser sei ein Antisemit als “haltlos”.
Was denken wir über all das? Jeder von uns? Ich, Sie, Du? Debattieren wir darüber?
Debattiert so viel ihr könnt

Günter Grass 2004 bei der Buchmesse in Frankfurt. Bild: Wikipedia, Florian K, CC BY-SA 3.0
Hoffentlich tun das viele unserer Leserinnen und Leser. Und das ist gut so. Sich mit einer Sache auseinanderzusetzen. Denn das ist die Übersetzung von Kritik.
Und nichts anderes hat Herr Grass getan. Er hat sich auseinander gesetzt, seine Meinung geäußert und sich damit demokratisch dem Diskurs gestellt.
Inhaltlich mag sein “Gedicht” große Schwächen haben. Die größte ist, dass man eine solch verfahrene Situation, wie sie im Nahen Osten herrscht, noch so sehr “verdichten” kann – sie ist zu komplex, um sie vernünftig in einem Text abbilden zu können.
Deshalb muss man sie aufteilen und die Teile diskutieren. Und den Anfang zu dieser Debatte hat Herr Grass erreicht. Er hat es geschafft, dass sich viele besserwissende sofort empört geäußert haben, um feststellen zu müssen, dass die grass’sche Kritik vielleicht nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch ist.
Günter Grass hat es erreicht, dass über Tabus gesprochen wird, die viele Menschen beschäftigen und die, weil Tabus, öffentlich nicht thematisiert werden dürfen sollen. Grass hat also Öffentlichkeit geschaffen, den Austausch von Meinungen angeregt und hat damit einen demokratischen Prozess ausgelöst.
Deutungshoheiten der Zirkel
Wer ihn deswegen sofort zum Antisemiten abstempelt, will keinen demokratischen Diskurs, sondern einen Hieb mit der Moralkeule. Es sollen keine Fragen gestellt werden dürfen. Die Deutungshoheit ist allein kleinen Zirkeln überlassen. Ist das demokratisch?
Wer das Gesamtwerk von Grass sieht und seine über Jahrzehnte verschwiegene Mitgliedschaft in der Waffen-SS, erkennt eine zerrissene Figur. Einen, der eitel und selbstherrlich ist. Neudeutsch “erfolgsgeil”, was ihm viele vorwerfen, die aber wie ein Reich-Ranicki oder Broder selbst auf der Debatten-Welle mitschwimmen, ohne viel zum Thema beitragen zu können. Aber Hauptsache, sie reden mit oder es wird über sie geredet, wobei sie jedem, der ihnen nicht genehm ist, genau das vorwerfen.
Wer die Debatte um das Thema verfolgt, sieht jede Menge Anwürfe, die jede Interessengruppe für sich zu nutzen sucht.
Und wer über all dem darüber nachdenkt, was der Text von Grass bewirkt hat, erkennt: Es ist eine “grasse” Debatte.
Mit einem Für und Wider. Einem Hin und Her. Und all das ist gut und sinnvoll.
Denn “Positionen” haben die Chance, neu überdacht und definiert zu werden. Man kann aus der Vergangenheit lernen, sie mit dem Jetzt abgleichen und für die Zukunft Ziele entwickeln.
Das geht nur durch Einlassungen von kritischen Geistern.
Tabus brechen
Abnicker, Zusager, Nichtfrager, Nichtwisser haben in der Vergangenheit und Gegenwart immer nur für großes Leid und viel Blutvergießen gesorgt.
Günter Grass hat weder ein literarisch wertvolles, noch stilistisch anerkennenswertes “Gedicht” geschrieben. Das ist meine persönliche Meinung.
Ebenso finde ich seine Position zu überzeichnet. Aber ich bin sehr froh, dass er das Gewicht seiner Persönlichkeit nutzt, um die Debatte über Tabus anzuregen.
Er ist ein alter Mann, hat sein Leben und sein Geld verdient, schließt irgendwann mit “letzter Tinte” ab. Und er hat enorm viel negative Energien auf sich gezogen – egal, ob zu Recht oder Unrecht -, statt einfach seinen “Lebensabend zu genießen”.
Persönlich hat mich Grass als Schriftsteller nicht interessiert. Mich spricht sein Werk nicht an. Das ist aber eine Geschmackssache.
Persönlich habe ich großen Respekt vor diesem Mann, weil er sich traut, eine Meinung zu haben. Trotz aller Kritik, die seine Meinung durch andere auf sich zieht.
Persönlich habe ich meine Meinung und meine Geschichte. Mein Großvater beispielsweise ist 1928 geboren worden und hat als 16-Jähriger jüngere Kinder in den letzten Kriegsjahren in Sachsen als “Gebirgsjäger ausgebildet”.
Und er hat mir gegenüber zugegeben, dass er damals an den “Führer” geglaubt hat und erst später erkannt hat, welchem Übel er anhängig war. Fast jeder von uns Deutschen hat so einen “Link”, so eine Verbindung, in die Vergangenheit. Und egal, wie wenig man damit “persönlich” zu tun hat. Die historische Schuld bleibt. Und sie ist schrecklich.
Verantwortung fordert Fragen
Die Verantwortung aber, sich gegen Krieg, gegen Genozid, gegen Unrecht einzusetzen, ist eine Verantwortung, die gerade die Deutschen historisch am besten vertreten können. So kann die Schuld zur Chance werden. Wenn man bereit ist, verantwortlich zu sein. Um verantwortlich zu sein, muss man aber Fragen stellen dürfen, können und wollen.
Verantwortung ergibt sich sicherlich nicht dadurch, indem man sich keinem Diskurs stellt, keinen Fragen, keinen Haltungen. Wer sich so verhält, muss sich den Vorwurf des Gleichschaltens, des Gleichmarschierens, des Faschistischen gefallen lassen.
Wer bereit ist, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, Kritik zu üben und auszuhalten, für seine Haltung zu werben unter Anerkennung unseres Grundgesetzes, der agiert demokratisch und verantwortlich.
Wer eine berechtigte Kritik eines Schriftstellers missbraucht, um diesen und andere mundtot zu machen, agiert antidemokratisch.
Günter Grass hat mit seinem “Gedicht” sehr krasse Reaktionen hervorgerufen, die zeigen, wie wenig demokratisch viele Medien in Deutschland gesinnt sind, obwohl wir doch schon mindestens sechs Jahrzehnte Zeit hatten, um zu üben.
Die Debatte hat gezeigt, wie wenig demokratisch der Staat Israel unter seiner aktuellen Regierung ist.
Traumatisierungen
Und er hat ins Bewusstsein gerufen, dass ein Konflikt droht, der sicherlich kein iranisches Volk auslöscht, aber die Region und die Welt massiv zu traumatisieren in der Lage ist.
Und wer, wenn nicht wir Deutschen, haben eine bessere Vorstellung davon, was es heißt, andere zu traumatisieren und selbst traumatisiert zu sein? Und wer, wenn nicht wir Deutschen können ehrlicher und glaubhafter uns dafür einsetzen, dass es nicht woanders zu Verwüstung, Zerstörung und Verfolgung kommt?
Mein Deutschland ist ein Land der Demokratie, des Austausches von Meinungen, des Ringens um Mehrheiten um eine größtmögliche Freiheit der Menschen zu ermöglichen.
Ein Land, dass sich um Fortschritt des Lebens statt für den Rückschritt des Tötens einsetzt.
Ich empfinde es als ekelhaft, wenn irgendjemand argumentiert, ein israelischer “Erstschlag” würde nicht das “gesamte” iranische Volk auslöschen, sondern nur “Teile”. Mir wird schlecht, wenn ich Argumente lese, man müssen Israel einen “Zweitschlag” ermöglichen, um, nachdem man selbst größte Verluste habe, dem anderen auch noch welche zufügen zu können. Wer so zynisch argumentiert, hat keine Respekt vor dem Leben.
Jeder vernünftige Mensch wird solche “Debatten” nicht nur ablehnen, sondern sich vernünftigerweise verweigern, weil sie an Dummheit nicht zu übertreffen sind.
Meinungsvernichtungswaffen
Jeder von uns ist aufgerufen, sich dringlich eine Meinung zum Thema zu bilden. Günter Grass hat in Deutschland zu Recht eine Debatte ausgelöst, bevor “Fakten” geschaffen werden. Die Konflikte im Nahen Osten sind geeignet, den Weltfrieden zu gefährden – die Konflikte bestimmen schon seit Jahrzehnten unser Leben, ohne das es “möglich” war, sich widersprüchlich dazu zu “äußern”.
Die Zeit ist reif, Meinungen zu überprüfen, zu definieren und zu vertreten. Und vor allem wir Deutsche sollten sagen können müssen:
Wir lehnen jede Form von Massenvernichtungsmöglichkeiten ab.
Denn wir Deutsche wissen wie kein anderes Volk, dass jede fehlende demokratische Debatte nur fürchterliche Folgen haben wird. Deswegen sollten man sich nicht von Meinungsvernichtungswaffen wie sinnfreien Antisemitismusvorwürfen beeindrucken lassen.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann schreibt S21-Gegnern auf Facebook
Rhein-Neckar, 07. Februar 2012. (red/pm) Winfried Kretschmann wendet sich mit einem offenen Brief über das soziale Netzwerk Facebook an die Gegner von Stuttgart 21. Er selbst bezeichnet sich ebenfalls als S21-Gegner und den Ausgang der Abstimmung als „schmerzlich“. Wie bereits zuvor angekündigt, hält er sich an das Ergebnis und schreibt: „Ungleich schlimmer wäre es, das Votum letztlich nicht anzuerkennen.“
Dokumentation; Offener Brief von Ministerpräsident Winfried Kretschmann
(Anm. d. Red.: Zwischenüberschriften durch die Blogredaktion eingefügt.)
„in den letzten Tagen und Wochen erreichten mich Schreiben sowie Beiträge auf Facebook und Twitter von Bürgerinnen und Bürgern, deren Inhalt mir sehr zu denken gibt. Mal mehr, mal weniger deutlich wird darin gefordert, Stuttgart 21 dürfe auch nach dem Ergebnis der Volksabstimmung nicht gebaut werden. Daher möchte ich Ihnen mit diesem offenen Brief meine Sicht der Dinge darstellen.
Der 27. November 2011 ist ein Datum, das bei mir ganz unterschiedliche Gefühle weckt. Einerseits konnten mit der Volksabstimmung über das „S 21-Kündigungsgesetz“ zum ersten Mal in der Geschichte Baden-Württembergs die Bürgerinnen und Bürger jenseits von Wahlen unmittelbar Einfluss nehmen und in einer Sachfrage eine Entscheidung treffen.
Wenngleich das Wort für uns Deutsche aus geschichtlichen Gründen nicht nur positiv besetzt ist, so bin ich doch ein wenig stolz darauf, dass es uns gelungen ist, mit der Volksabstimmung einen historischen ersten Schritt in eine echte Bürgergesellschaft gemacht zu haben.
Volksabstimmung ein „sehr bitterer und schmerzlicher Tag“
Andererseits ist der 27. November für mich persönlich ein sehr bitterer und auch schmerzlicher Tag gewesen. Denn an diesem Tag hat sich eine klare Mehrheit der Abstimmungsberechtigten Baden-Württembergs für eine finanzielle Beteiligung des Landes an dem Bahnprojekt Stuttgart 21 ausgesprochen. Lediglich in sieben von insgesamt 44 Stimmkreisen hat das „S 21-Kündigungsgesetz“ eine Mehrheit von Ja-Stimmen gefunden. Demgegenüber haben 58,9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen in Baden-Württemberg gegen den Gesetzentwurf votiert.
Selbst im Stadtkreis Stuttgart, wo ich ein anderes Ergebnis erwartet hatte, hat sich keine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für das S 21-Kündigungsgesetz ausgesprochen:
Mit 52,9 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen wurde ein Ausstieg aus der Finanzierung von Stuttgart 21 abgelehnt. Über ein Jahrzehnt hinweg haben ich und die Grünen im Landtag und darüber hinaus gegen das Projekt argumentiert und für Alternativen geworben und so ist dieses Votum des Volkes für mich eine schmerzliche Entscheidung, an der ich persönlich schwer trage.
Ich hatte mir einen anderen Ausgang gewünscht, denn ich bin weiterhin der Überzeugung, dass die Alternativen zu Stuttgart 21 besser gewesen wären. Schmerzlich ist der Ausgang aber auch deshalb, weil ich eingestehen muss, dass wir die Mehrheit der Bevölkerung mit unseren guten sachlichen und fachlichen Argumenten nicht überzeugen konnten.
Auch ungeliebte Mehrheitsentscheidungen akzeptieren
Am 27. November 2011 hat das Volk entschieden. Und als überzeugter Demokrat und Ministerpräsident akzeptiere ich den Willen des Souveräns.
Damit entfällt in einer Demokratie für die Politik und für mich als Ministerpräsident die Legitimation, das Projekt Stuttgart 21 dem Grunde nach immer und immer wieder in Frage zu stellen. Nicht ausgeschlossen ist es hingegen, die Fehler und Schwächen des Projekts deutlich aufzuzeigen, den Finger in die Wunde zu legen und auf Nachbesserungen zu drängen. Das verstehe ich unter einem kritisch-konstruktiven Begleiten von Stuttgart 21 PLUS.
Wer allerdings meint, die Landesregierung und insbesondere ich als Ministerpräsident könnten oder müssten das Projekt über solche Schwächen noch endgültig zu Fall bringen, dem muss ich ganz klar sagen, dass ich dies nicht machen werde. Die Bahn darf Stuttgart 21 bauen. So hat das die klare Mehrheit der Abstimmenden gewollt. Es gehört zum Wesenskern der Demokratie, dass man Mehrheitsentscheidungen akzeptiert, ob sie einem nun gefallen oder nicht.
Allen war bewusst, dass mit der Volksabstimmung über das S 21-Kündigungsgesetz selbstverständlich mittelbar über die Realisierung der Projekte Stuttgart 21 und die Alternativen abgestimmt wird.
Alle Argumente, die gegen Stuttgart 21 und für die Alternativen sprechen, sind im Zuge der äußerst umfassenden Diskussionen im Vorfeld der Volksabstimmung, in der Schlichtung und/oder bereits weit vorher, geäußert und vorgetragen worden. Ich will auch gerne erneut betonen, dass ich viele der kritischen Argumente zu Stuttgart 21 persönlich teile. Sämtliche Argumente in der Debatte sind vorgebracht, gewendet und abgewogen worden. Jede Bürgerin und jeder Bürger hatte umfassenden Zugang zu ihnen. Es gab hunderte Veranstaltungen und Foren sowie Diskussionsrunden unterschiedlichster Art.
Es gab die Schlichtung. Niemand wurde ausgeschlossen.
Pro und Contra hinlänglich bekannt
Über mehr als ein Jahr hinweg ist das Thema in der Stadt, regional und überregional intensiv verhandelt worden. Und gerade in Zeiten des Internets und anderer moderner Kommunikationsmittel kann keine Rede davon sein, dass Informationen hinter dem Berg gehalten oder verschwiegen worden seien.
Die Fakten, die für oder gegen Stuttgart 21 sprachen und sprechen, lagen offen auf dem Tisch. Und allen war klar, was im Falle eines Scheiterns des S 21-Kündigungsgesetzes unaufhaltsam kommen wird:
Abriss des Südflügels, Freimachung des Baufeldes im Mittleren Schlossgarten zur Errichtung des Trogbauwerkes durch Fällen oder Versetzen der Bäume und Grundwasserentnahme.
Die Argumente, die Sie gegen Stuttgart 21 anführen, waren der Bevölkerung hinlänglich bekannt. In der Broschüre zur Volksabstimmung konnten Pro- und Contra-Seite Ihre Argumente kompakt vortragen. Jeder, der wollte, konnte darüber hinaus sich jede Facette und noch differenzierte Argumente beschaffen. Gleichwohl hat sich deren Mehrheit am Ende für das Projekt entschieden. An dieser Erkenntnis führt einfach kein Weg vorbei.
In der Regierungsform der Demokratie – und bei der direkten Demokratie zumal – gehen wir von einer mündigen Bürgerschaft aus. Wir nehmen an, dass Menschen informiert sind bzw. sich Informationen beschaffen (können), bevor sie zu Wahlen und Abstimmungen gehen, und dass sie dann abgewogene Urteile und Entscheidungen fällen. Allerdings können wir niemanden dazu zwingen.
„One Man, one vote“
Jede (volljährige) Bürgerin und jeder (volljährige) Bürger hat eine Stimme, und alle Stimmen haben den gleichen Wert. „One Man, one vote“ ist zu Recht ein Kernsatz demokratischer Verfassung. Und jede Stimme zählt gleich, egal wer sie abgibt, ob etwa Professorin oder Putzfrau, aus welchen Gründen und Motiven auch immer, ob sie sich gut oder schlecht informiert hat.
Ein weiterer Kernsatz der Demokratie ist, dass Mehrheiten entscheiden. Darauf ist demokratische Politik angewiesen, denn etwas Besseres als die Mehrheitsregel ist noch niemandem eingefallen.
Wer, wenn nicht die Mehrheit in einer demokratischen Abstimmung soll denn die Legitimität einer Entscheidung begründen? Wie soll denn verfahren werden, wenn eine klare Mehrheit in einer strittigen Frage vorliegt? Soll dann das Votum dieser Mehrheit etwa nicht umgesetzt werden? Mit welchem Recht wollte man sich als Regierung dem verweigern? Woran sollen sich Entscheidungen ausrichten, wenn nicht an vorangehenden Mehrheiten in Wahlen und Abstimmungen?
Die Grün-Rote Koalition ist hier ohnehin schon sehr weit gegangen, nachdem große Mehrheiten im Parlament Stuttgart 21 längst beschlossen hatten, diese Entscheidung erneut in Form einer Volksabstimmung wieder aufzurufen. Wenn wir uns dieser Mehrheitsentscheidung bei Stuttgart 21 verweigern würden, wie könnten wir dann in Zukunft selbst auf unseren Mehrheitsentscheidungen bestehen?
„Streiten bis in alle Ewigkeit“?
Niemand verlangt, die Position der anderen Seite zu übernehmen. Und niemand verlangt, mit der eigenen Meinung künftig hinter dem Berg zu halten. Aber der – in vielen Schreiben und anderen Veröffentlichungen der letzten Wochen zu findende – Appell an die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger und der Verweis auf die großen Erwartungen, denen man gerecht werden müsse, der Hinweis auf die verantwortlichen Politiker und Planer gehen darüber hinaus: sie dokumentieren, dass man das Votum der Volksabstimmung nicht akzeptiert.
Was bedeutet die Nichtanerkennung solcher Ergebnisse für die Demokratie allgemein und für das an Recht und Gesetz gebundene Regieren im Konkreten? Wie soll Legitimation für politisches Handeln hergestellt werden? Wer bestimmt, entscheidet und handelt dann in staatlichen Angelegenheiten? Soll dies eine elitäre Expertokratie sein, von der manch antiker Denker schrieb?
Der Konflikt um Stuttgart 21 war ein tiefer und heftiger Konflikt, der Stadt und Land mehr und mehr zu spalten drohte. Wie sollen schwierige Konflikte beigelegt werden, wenn nicht einmal eine Volksabstimmung als letzte Autorität anerkannt wird? Soll man weiter streiten bis in Ewigkeit?
Grundsätze der Demokratie werden in Frage gestellt
Ganz allgemein: Wie soll Demokratie dann überhaupt funktionieren? Was sind die Alternativen?
Diese Fragen drängen sich mir bei der Lektüre Ihrer Briefe, E-Mails, Postings und Tweets auf. Welche Antworten wollen Sie finden, ohne grundsätzliche demokratische Prinzipien unseres Gemeinwesens in Frage zu stellen?
Vielleicht gibt es auch noch andere Gründe, die Sie bewogen haben, ihre Schreiben so zu formulieren. Halten Sie komplexe politische Sachfragen für nicht geeignet, um sie durch die Bevölkerung direkt abstimmen zu lassen?
Und schließen sich damit den Gegnern bzw. Skeptikern der direkten Demokratie an, von denen es ja manche gerade in den konservativen Parteien gibt?
Eine solche Position ist keineswegs ehrenrührig und hat gute Argumente auf ihrer Seite – man sollte sie nur klar benennen.
Ich persönlich teile diese Auffassung jedenfalls nicht, im Gegenteil: Die im Vergleich sehr hohe Beteiligung der Bürgerschaft an der Volksabstimmung ist für mich ein deutliches Indiz, dass die Menschen in unserem Lande über mehr Themen direkt mitentscheiden wollen und nicht über weniger.
Prinzipiell gilt allerdings, dass das Volk in seiner Mehrheit natürlich genauso Fehlentscheidungen treffen kann, wie die Mehrheit in einem Parlament. Denn in der Demokratie wird nicht über Lüge und Wahrheit entschieden, sondern über Alternativen.
Wer der Auffassung ist, dass die Volksabstimmung nicht rechtmäßig abgelaufen sei, für diejenige oder denjenigen gibt es in einem Rechtsstaat ebenfalls den Weg, den die gewaltenteilende Demokratie vorsieht:
Die Klage vor den Gerichten. Der entsprechende Weg ist ja von einigen auch bereits beschritten worden. Aber gewiss kann dies keine Forderung an die Exekutive sein. Schon gar nicht wenn sie wie in diesem Fall die Volksabstimmung nach sorgfältiger Prüfung selber eingeleitet hat.
Wie sollen Bürgergesellschaft und Bürgerdemokratie funktionieren?
Zu diesen Themen hinzu kommt eine Sorge, die mich umtreibt. Es ist die Sorge, dass das, was die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 an Positivem und Wegweisendem für die Republik bereits erreicht hat – für die Zukunft ein grundsätzliches Überdenken von Planungsprozessen, eine Ausweitung und Verbreiterung der Beteiligung der Bürgerschaft auf unterschiedlichsten Ebenen, Transparenz und Offenheit bei den Alternativen und manches mehr –, dass diese großen Erfolge also gefährdet und womöglich konterkariert werden, weil maßgebliche Protagonisten des Protestes das Resultat der Volksabstimmung nicht akzeptieren.
All dies zusammengenommen stelle ich mir eine grundsätzliche Frage: Wenn auch bekannte und anerkannte Persönlichkeiten das Ergebnis einer Volksabstimmung nicht anerkennen und respektieren wollen – wie soll dann die Bürgergesellschaft und die neue Bürgerdemokratie eigentlich funktionieren?
Und ins Konkrete gewendet leitet sich daraus eine für den politischen Alltag elementare Frage ab. Nachdem die Volksabstimmung ein so klares Votum hervorgebracht hat:
Können Sie sich ernsthaft einen Ministerpräsidenten und eine Landesregierung wünschen, die sich – weil ihnen ein politisches Ergebnis missfällt – über den Willen der Mehrheit in einem Gesetzgebungsverfahren (denn nichts anderes ist eine Volksabstimmung nach unserer Landesverfassung) hinwegsetzt, dagegen opponiert und sich schlichtweg nicht an Gesetz und Recht gebunden fühlt?
Niemand, der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ernst nimmt, kann sich dies am Ende wünschen, auch die nicht, die in der Sache verloren haben. Denn wir würden dann Tür und Tor öffnen für eine Entwicklung, an der keinem von uns ernsthaft gelegen sein kann.
So schmerzlich und bitter die Entscheidung des Volkes für Stuttgart 21 in der Sache für uns Gegner war. Ungleich schlimmer wäre es, das Votum letztlich nicht anzuerkennen. Denn dies hieße nichts anderes, als unseren demokratischen Rechtsstaat in Frage zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Kretschmann“
Visualisierung: Ist Ihr Nachbar ein Nazi?

Adressdaten von angeblichen NPD-Spendern wurden bei einem Hacker-Angriff entwendet und in einer Google-Landkarte visualisiert. Quelle: Google-Map der No Name Crew
Guten Tag!
Rhein-Neckar, 24. Juni 2011. Im Internet ist eine Google-Karte aufgetaucht, über die rund 400 Adresse markiert sind – angeblich allesamt Leute, die an die NPD gespendet haben. Grundlage dafür sind Daten, die von einer „No Name Crew“ Anfang Juni „gehackt“ worden sein sollen.
Von Hardy Prothmann
Wollten Sie schon immer wissen, ob Sie NPD-Anhänger in der Nachbarschaft haben? Nichts leichter als das – Anfang Juni haben Hacker der „No Name Crew“ Daten von mehreren NPD-Seiten ausgelesen und diese im Internet veröffentlicht. Und auch im Rhein-Neckar-Raum finden sich laut dieser Daten zahlreiche NPD-Spender.
Irgendjemand hat die Daten dann bei Google-Maps eingetragen. Jeder Punkt markiert eine „Spender“-Adresse. Über die Karte kann man sich nach Orten oder nach den veröffentlichten Adressen orientieren.
Name und Adresse per Mausklick feststellen.
Will man sich den Wohnort eines vermeintlichen Spenders anschauen, ist es per Klick ganz einfach möglich, auf Google Earth zu wechseln und das Haus heranzoomen.
Für die NPD waren der Hack und die Veröffentlichung der mutmaßlichen Spender-Daten ein herber Schlag – wollen Partei-Spender doch häufig anonym bleiben, was besonders für NPD-Förderer gilt.
Und der nächste Schlag droht – die „No Name Crew“ hat auf ihrer Seite einen erneuten Angriff auf „Bundesebene“ angekündigt: „Neue Ziele wurden ausgesucht“, heißt es da, darunter läuft ein Zähler rückwärts.
Jemand, der sich „Darkhammer“ nennt, schreibt:
„Erst einmal ein paar Sätze vorweg.
Ich bin ein stolzer Deutscher, ich liebe Deutschland über alles und ich tue alles in meiner Macht stehende um das Bild Deutschlands zu verbessern.
Wenn die Politik oder das Gesetz diese Aktion, meinerseits, strafrechtlich verfolgt, schmerzt mein Herz.
Denn wenn sie es tut, sind alle großen Worte der Politiker vergebens.
Worte wie; wir werden es nicht zulassen dass die NPD oder der rechte Flügel unsere Kinder auf die falsche Bahn bringt.
Wir werden alles tun, um der NPD oder den Nazis Einhalt zu gewähren.
Ich weiß, dass ich mit meiner Aktion auf ein breites Interesse der Öffentlichkeit stoßen werde. Genau das ist mein Ziel.
Ich will dass die Deutschen stolz auf sich und ihr Land sind, auf die Geschichte und die Errungenschaften.
Alle Welt beneidet uns für unsere Intelligenz und unser Wissen.
Aber ok, das bleibt jedem selbst überlassen.“

Wohnt hier in Edingen-Neckarhausen ein NPD-Spender? Über Google-Earth kann man sich den Wohnort betrachten. Quelle: Google Earth
Die Botschaft ist klar – der Staat unternimmt zu wenig gegen die NPD aus Sicht von „Darkhammer“, also unternehmen die Hacker etwas gegen die NPD.
Moralisch richtig?
Das Problem dabei: Man mag es für moralisch richtig halten, gegen die NPD vorzugehen. Nach dem Gesetz ist es aber in dieser Form strafbar und ganz sicher ein Akt von Computerkriminalität. Die Staatsgewalt geht zwar vom Volk aus, jedoch in der demokratischen Ordnung der Gewaltenteilung.
Wer das „Recht“ selbst in die Hand nimmt, ist eben nicht mehr im Recht, sondern verübt Selbstjustiz. Das Stehlen von Daten ist nach der ursprünglichen Hacker-Ethik nicht erlaubt, das Eindringen in Netzwerke und das Aufzeigen von Sicherheitslücken hingegen schon.
So dürfte das Hacken und das Verbreiten der Daten gegen die CCC-Richtlinien verstoßen:
- Mülle nicht in den Daten anderer Leute.
- Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen.
Andererseits müssen Parteispenden erst ab einer Höhe von 10.000 Euro in den Rechenschaftsberichten der Parteien veröffentlicht werden. Wer darunter bleibt, bleibt anonym. Spendengelder können so also weiterhin in großer Höhe fließen, ohne das bekannt wird, wer beispielsweise eine rechtsextreme Partei wie die NPD unterstützt.
Für den ein oder anderen Spender kann die Veröffentlichung der Spenderliste zu einem Problem werden – das ist wohl auch das Ziel der Hacker. Eine öffentliche Diskreditierung der Spender.
Das kann man gut finden – die Methoden sind es leider nicht.
Anmerkung:
„Mutmaßlich“ und „angeblich“ verwenden wir, wenn uns die Zuverlässigkeit und Herkunft von Informationen nicht selbst überprüfen können.
Auch wenn wir die Methoden der Hacker nicht gut heißen, bedeutet das nicht, dass wir die NPD unterstützen. Die nationalistische, völkische und revanchistische Ideologie der rechtsextremen NPD und ihre undemokratischen Ziele lehnen wird klar und deutlich ab.
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